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© David Ausserhofer/ZEIT STIFTUNG BUCERIUS
EuropaCamp 2024: Wie wir mit gemeinsamem Handeln die Demokratie schützen

Mut-Moment. Bruchpunkt. Chance – bei dem EuropaCamp 2024 der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS auf Kampnagel fanden die Panelist:innen viele Worte, um zu beschreiben, in welcher Umbruchsphase sich Europa gerade befindet. Polykrisen, Rechtsruck, Desinteresse an Europa, aber auch Aufbruchstimmung, der Wunsch nach Veränderungen von jungen Generationen und das Bedürfnis nach Zusammenhalt und Sicherheit prägen den Kontinent politisch und sozial. Darüber wollten wir sprechen, uns austauschen, aufrichtig streiten und voneinander lernen – und das persönlich. Vom 25. bis 28. April 2024 fand deshalb zum sechsten Mal unser politisch-kulturelles Festival mit einer Mischung aus Panel-Talks, Performances, Music-Acts, Konzerten, Schul-Workshops und Live-Podcasts auf Kampnagel in Hamburg statt und versammelte Besucher:innen in den Kulturhallen im Hamburger Norden.

„Hunger nach Gemeinschaftlichkeit“

Dorthin angereist waren auch viele hochkarätige Gäst:innen und Europa-Expert:innen: Die Podiumsdiskussionen eröffneten Düzen Tekkal, Jeanette Gusko und Katharina Nocun. Mit Moderatorin Thembi Wolf sprachen sie über Radikalismus und über die Bereitschaft, mit Rechten auf öffentlicher Eben zu reden. „Akteure, die Verschwörungserzählungen über Medien verbreiten, sollten keinen Raum bekommen, davon bin ich fest überzeugt“, plädierte beispielsweise die Autorin und Politikwissenschaftlerin Katharina Nocun. Jeannette Gusko, Geschäftsführerin von CORRECTIV, sprach über die Enthüllungen ihres Teams zur AfD, aber auch über Hoffnungsszenarien und positive Zukunftsnarrative von und für junge Menschen im Handeln gegen Demokratiefeind:innen: „Mut inspiriert Mut. Was hier jetzt aufgeht, ist ein Mutraum.“

Mit dem Wunsch nach Zusammenhalt und „Hunger nach Gemeinschaftlichkeit“ beschrieb auch der polnische stellvertretende Außenminister, Marek Prawda, im Gespräch mit Katja Gloger die jüngsten Wahlergebnisse in Polen. Im gemeinsamen Panel „Wie verteidigen wir unsere Demokratie in Europa?“ sprach zudem Andrea Gawrich, die Dissertationsbetreuerin von Europa-Staatsministerin Anna Lührmann, welche kurzfristig verhindert war. Gawrich stellte Panel und Publikum eine weitere zentrale Frage: „Welches Angebot kann Europa Menschen machen?“

Ich will nach Europa, weil…? Sieben EU-Wahl-Kandidierende im Gespräch

Erste Antworten auf diese Frage gaben sieben Europawahl-Kandidierende aus und für Hamburg, die am zweiten Festival-Tag mit Moderator Michel Abdollahi über ihre Motivation diskutierten, ins Europaparlament einzuziehen. In der einstündigen Talk-Runde ging es darum, welche Entscheidungen auf europäischer Politik-Ebene getroffen werden sollten und wie Europapolitik den Wähler:innen näherkommen kann. „Wir müssen die Kritik von denen, die sich Europa fern fühle, ernst nehmen“, mahnte David Stoop, Kandidat der Linken Hamburg, „Demokratie spielt da eine wichtige Rolle“. Die Gleichgültigkeit großer Bevölkerungsgruppen gegenüber Europa sei aber auch ein Zeichen des bisherigen Erfolgs der EU, sagte Freya Gräfin Kerssenbrock, Spitzenkandidatin der CDU Hamburg, weil sich Menschen noch derart in Sicherheit wögen: „Eine Freiheit, an die man sich gewöhnt hat, gibt man möglicherweise leichtfertiger auf“. Moderator Abdollahi richtete sich in seinen Schlussworten an die Kandidierenden, aber auch an Menschen in Europa und der Welt: „Der Feind des gemeinsamen Gedankens, des gemeinsamen Europas, sind die Faschisten. Bitte kämpft für diesen Gedanken mit einer gemeinsamen, überparteilichen Stimme.“

Zu den weiteren Panel-Highlights gehörten das von Sandra Maischberger moderierte Panel zum 20-jährigen Jahrestag der EU-Osterweiterung. Hier zeigte Maischberger Ausschnitte der arte-Dokumentation „Im Osten nichts Neues“ und diskutierte mit Filmmacher Dominic Egizzi und Cathryn Clüver Ashbrook, Cornelius Adebahr und Barbara Lippert über den Einfluss von osteuropäischen Beitrittsgeschichten für die europäische Zukunft. Der Extremschwimmer André Wiersig schloss das Bühnenprogramm auf Kampnagel mit einem Vortrag über seine Arbeit im Kontext von Wirtschaft, Nachhaltigkeit und Natur und versammelte interessierte Zuschauer:innen auch noch danach im Foyer von Kampnagel.

Dort hatte das Team des EuropaCamps in diesem Jahr eine weitere Bühne bespielt – mit interaktiven Panels zu Desinformation und EU von Planpolitik. Am Samstagnachmittag kamen auch EU-Politiker Sergey Lagodisnky sowie die Digital-Expert:innen Sina Frank und Johnny Haeusler hier zusammen, um über den Einfluss künstlicher Intelligenz auf Demokratie zu sprechen – eine Veranstaltung im Rahmen unserer neuen Veranstaltungsreihe „Was macht KI mit….?“.

Neben der thematischen und politischen Vielfalt überzeugte das EuroCamp 2024 auch mit seiner kulturellen Bandbreite. So füllte sich die Haupthalle K6, als die deutschen Musik-Superstars Thees Uhlmann und Jan Müller (Tocotronic) im Live-Podcast „Reflektor“ auf mehr als 60 Jahre Rock und Pop in Hamburg zurückblickten. Anhand von Bands wie Helloween, Abschlach und der Hamburger Arroganz diskutierten die beiden Künstler über Musikhistorie, aber auch über persönliche Storys und tiefe Freundschaften in der Indie-Musikszene. Ebenso gemeinschaftliche Gefühle lösten die Musik und persönlichen Erzählungen von Hannes Wittmer bei seinem kostenlosen Konzert im Kampnagel Club „KMH“ aus. Im Live-Podcast „Das Politikteil“ von DIE ZEIT berichtete Olivia Kortas, Korrespondentin in der Ukraine, zuvor im Gespräch mit Heinrich Wefing und Tina Hildebrandt von ihrer Arbeit zwischen Kyjiw und Berlin.

Den Abschluss an drei von vier Festival-Abenden bildete das (afro-)futuristische und multimediale Performance-Theater des kainkollektiv. Mit „Black Eurydice / Schwarze Eurydike / Eurydice Noire“ brachte das Kollektiv eine komplexe Antithese zur Oper „Orfeo“ auf die Bühne, die nicht nur die Oper selbst, sondern auch Migrationspolitik, Kolonialismus und Musiktheater in neue Zusammenhänge setzte. Die feministische Neudeutung war begleitet von fünf zeitgenössischen Komponistinnen aus Kamerun, Südafrika, Iran, Kanada und Europa, die die barocke Musik mit visionären, zeitgenössischen Kompositionen übertönten. Über die Kraft von Musik und Sprache diskutierten und sangen auch die „Crucchi Gang“ um Francesco Wilking mit ihren Gästinnen Antje Schomaker und Lina Maly am letzten Abend des EuropaCamps. Am Sonntagabend beendeten die Berliner Band Isolation Berlin und hunderte Fans beim großen Abschlusskonzert das Wochenende auf Kampnagel offiziell mit donnerndem Applaus.  

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