„Für unsere Familie ist dies nicht nur ein Platz“, sagte Ilya Politkowski. „Es ist ein Symbol dafür, dass Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit grundlegende Werte bleiben.“ Politkowksi sprach an diesem Morgen im Oktober 2024 in Hamburg zu Gäst:innen aus Medien, Gesellschaft und Politik, zu Weggefährt:innen und Vertrauten seiner Mutter – Anna Politkowskaja. Die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin gilt weltweit als eine „Säule der Pressefreiheit“, wie die New York Times schrieb. 2006 wurde sie vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Dem vorangegangen war ihre mehr als 20-jährige Karriere im investigativen Journalismus, unter anderem für die Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“. Anna Politkowskaja war offene Kritikerin der Politik Wladimir Putins und des Kremls und berichtete in ihrer Arbeit jahrzehntelang über Korruption und Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter, Verschleppungen oder Massenhinrichtungen. Schon vor ihrem Tod war sie sie Morddrohungen und Einschüchterungsversuchen durch die russische Regierung und das Militär ausgesetzt. Ihre Ermordung ist bis heute nicht aufgeklärt. Dem Lebenswerk und Kampf für Pressefreiheit Anna Politkowskajas haben wir als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS nun gemeinsam mit der Stadt Hamburg ein Mahnmal gesetzt – den ersten nach Anna Politkowskaja benannten Platz in Deutschland. Die Benennung erfolgte auf Initiative von uns als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und auf Antrag der Fraktionen. Die für die Benennung der Verkehrsflächen zuständige Senatskommission hat dies auf Vorschlag des Bezirks Eimsbüttel beschlossen.
Sohn und Vertraute der ermordeten Journalistin zur Einweihung nach Hamburg gereist
Zur feierlichen Einweihungszeremonie am 10. Oktober 2024 bei uns in der ZEIT TIFTUNG BUCERIUS waren neben der Familie Politkowskajas auch Anwohner:innen sowie Gäst:innen aus Politik und Medien anwesend. Im Rahmen der Zeremonie enthüllten Ilya Politkowski, unser Vorstandsvorsitzender Manuel Hartung, der Hamburger Senator für Kultur und Medien Carsten Brosda gemeinsam Weggefährt:innen Politkowskajas und Sonja Böseler, stellvertretende Amtsleiterin Bezirksamt Eimsbüttel, das neue Straßenschild, das an der Ecke Feldbrunnenstraße / Binderstraße in Hamburg-Rotherbaum nun auf den nach Politkowskaja benannten Platz verweist. Vorab begrüßten Ilya Politkowski, Manuel Hartung und Carsten Brosda das Publikum in bewegenden Eröffnungsreden. „Heute ist [Anna Politkowskajas] beispielloser Mut für jeden sichtbar“, hob Manuel Hartung in seinen Worten hervor. „Der Anna-Politkowskaja-Platz direkt hier vor der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS ist uns eine tägliche Mahnung an den Wert von Pressefreiheit für eine wehrhafte Demokratie. (…) Wir setzen gemeinsam ein Zeichen: Für Pressefreiheit. Für mutigen Journalismus. Für unabhängige Berichterstattung.“ Zu unserer Stiftung und Hamburg hatte die Journalistin Politkowskaja bereits eine Verbindung – im Jahr 2002 erhielt sie im Hamburger Rathaus den Gerd Bucerius-Förderpreis Freie Presse Osteuropas (heute Free Media Award). Am selben Ort war im vergangenen Jahr auch Dmitri Muratow im Rahmen unserer Hamburger Woche der Pressefreiheit zu Gast, der ehemalige Chefredakteur der Nowaja Gaseta – jener Zeitung, für die Politkowskaja über sieben Jahre bis zu ihrem Tod arbeitete. Nach ihrer Ermordung blieb ihr Schreibtisch in der Redaktion über 17 Jahre lang unangetastet.
Daran, Anna Politkowskajas Erbe auch im inhaltlichen Sinne weiterzuführen, erinnerte der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda in seiner Ansprache: „Die freiheitliche Öffentlichkeit braucht Akteurinnen und Akteure, die sich für ihr Zustandekommen verantwortlich fühlen – und das sind freie Journalistinnen und Journalisten, die ungehindert ihre Arbeit machen und alle Fakten einer Geschichte so zusammenbringen können, dass eine Gesellschaft alles das weiß, was sie wissen muss, um gemeinsam ihre Belange zu regeln.“
Platz und Stein würdigen Politkowskaja – und ermutigen zu unabhängiger Berichterstattung
Neben dem neuen Straßenschild steht nun auch ein eigens angefertigter Gedenkstein mit QR-Code, durch den Informationen zu Politkowskajas Leben und Werk zu finden sind, sowie einem Schriftzug, über den Anna Politkowskaja quasi posthum „spricht“ und damit gleichzeitig die Bedeutung von Pressefreiheit anmahnt: „Wenn ich nicht mehr schreibe, haben meine Feinde ihr Ziel erreicht.“ Dieses Zitat von ihr schmückt den Gedenkstein aus Basalt auf Deutsch und Russisch. Es sei nun an anderen, gerade dieses Vermächtnis aufzugreifen, dauerhaft weiterzuschreiben und darauf zu setzen, dass dieses Schreiben einen Effekt habe, sagte Senator Carsten Brosda – „überall da, wo es etwas zu erzählen gibt, wo es etwas aufzudecken gibt und wo es genau das zu benennen gilt, was keiner benennt.“
Auch Politkwoskajas Sohn Ilya sprach in seiner Rede anlässlich der Platz-Widmung an seine „Mama“ von der Erinnerung daran, dass „die Wahrheit gehört werden muss“. Für seine Mutter sei es von grundlegender Bedeutung gewesen, dass Menschen diese erfahren. 18 Jahre nach ihrem Tod sei ihr eigener Name aber auch zu einem „Symbol für Freiheit und Gerechtigkeit in der ganzen Welt“ geworden, sagte er. Ein solches Symbol wird er bleiben, nicht nur am Anna-Politkowskaja-Platz in Hamburg-Rotherbaum. „Dieser Ort wird uns daran erinnern, dass es Menschen wie meine Mutter gibt, die sich nicht scheuen, gegen den Strom zu schwimmen – und für die Wahrheit zu kämpfen.“