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v.l.: Leyla Mustafayeva (Abzas Media), Nastasia Arabuli, Nataliia Lazarovych & Anastasiia Borema (Bihus.Info), Szabolcs Panyi, Galina Arapova (vertritt Mikhail Afanasiev) und Leonid Sudalenko (vertritt Larysa Shchyrakova) © ZEIT STIFTUNG BUCERIUS
Free Media Awards 2024 für unabhängigen Journalismus verliehen

Der Nebel ist verzogen rund um das Nobel-Institut in Oslo, ein paar Sonnenstrahlen schaffen es durch die Wolken über der norwegischen Hauptstadt. In den prestigeträchtigen Räumen des Instituts tritt die Anwältin Galina Arapova auf die Bühne. Sie schaut ins Publikum aus internationalen Journalist:innen, Förder:innen, Interessierten – allesamt Verbündete im Kampf um Pressefreiheit und unabhängige Berichterstattung. In der Hand hält sie einen Zettel, eine Notiz aus einem Gefängnis in Russland. Galina Arapova vertritt heute den inhaftierten Journalisten Mikhail Afanasiev, einen von sechs ausgezeichneten Medien und Journalist:innen, die am Dienstagnachmittag, 17. September, in Oslo den renommierten Free Media Award erhalten, einen der wichtigsten Medienpreise in Osteuropa.

Die Awards werden jährlich von uns als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und der norwegischen Stiftung Fritt Ord vergeben, um die zum Teil lebensbedrohliche Arbeit von Journalist:innen und Redaktionen im osteuropäischen Raum zu stärken und sie zu ermutigen, trotz schwieriger Bedingungen und Bedrohungen weiterhin für Pressefreiheit einzustehen. Das hat auch Mikhail Afanasiev getan. Dafür sitzt er nun im Gefängnis. Von dort aus schreibt er mit blauem Kugelschreiber auf weißem Papier die Worte, die Galina Arapova in Oslo verliest: „Ich widme diesen Preis meinen Kindern und all den Menschen in der Welt, die ihr Leben dem Kampf für Menschenrechte als Grundlage für die Zukunft gewidmet haben.“

Pressefreiheit bedroht – Ungarn erstmals in Liste der Free Media Awards aufgenommen

Ausgezeichnet für genau diesen Mut und unermüdliche Berichterstattung werden neben Afanasiev in diesem Jahr das journalistische Kollektiv Bihus.Info aus der Ukraine, die georgische Journalistin Nastasia Arabuli, die aserbaidschanische Nachrichtenplattform Abzas Media und die ebenfalls inhaftierte belarusische Journalistin Larysa Shchyrakova. Mit Szabolcs Panyi wird außerdem erstmals in der Geschichte der Free Media Awards ein Journalist aus Ungarn geehrt – denn auch hier verschlechtern sich die Bedingungen für Berichterstattung drastisch. Ungarn ist im Ranking der Pressefreiheit innerhalb der vergangenen 15 Jahre von Rang 23 auf Rang 67 gefallen. Die Pressefreiheit wird zunehmend eingeschränkt.

„Als ich erfahren habe, dass ich mit dem Free Media Award ausgezeichnet werde, war ich zugleich geehrt und geschockt“, sagt Preisträger Panyi in seiner Dankesrede. „Geehrt, weil ich um das Renommee des Preises weiß; geschockt, weil die Auszeichnung bedeutet, dass die Pressefreiheit im EU-Land Ungarn so stark eingeschränkt ist, dass unabhängiger Journalismus mit einem Free Media Award ausgezeichnet wird.“ Er wolle nicht, dass sein Land zu den Mechanismen den Kommunismus zurückkehrt, so Panyi. Er berichtet daher weiter unermüdlich über Korruption und die Einflussnahme von Russland und China auf Ungarn.

Zwei Preisträger:innen 2024 aktuell inhaftiert

Auch journalistisches Durchhaltevermögen ehrt der Medienpreis. „Die Verleihung der Free Media Awards bekräftigt die Wertschätzung und Anerkennung derjenigen, die sich jeden Tag unermüdlich für die Informationsfreiheit und die Wahrheit einsetzen“, sagt Manuel Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, in seinen Begrüßungsworten. „Unabhängiger Journalismus ist die Grundlage der Demokratie. Demokratische Gesellschaften beruhen auf einem gemeinsamen Verständnis dessen, was richtig und was falsch ist, was Fakt ist und was Fiktion.“

Larysa Shchyrakova ist in Belarus inhaftiert, Mikhail Afanasiev sitzt in Russland in Haft – weil sie ihrem Job nachgegangen sind. Neben Galina Arapova für Mikhail Afanasiev nimmt Leonid Sudalenko den Preis stellvertretend für Larysa Shchyrakova entgegen. Der Menschenrechtsaktivist Sudalenko war als politischer Gefangener selbst drei Jahre lang in Haft und weiß um die Bedingungen im Gefängnis: „Am heutigen Tag ist Larysa seit 651 Tagen im Frauengefängnis von Gomel inhaftiert. Die Bedingungen dort grenzen an Folter. Unsere Gedanken sind heute bei den 33 belarusischen Journalist:innen, die wie Larysa im Gefängnis sitzen, weil sie die Wahrheit über die politischen Repressionen gesagt haben.“

Deutlich wird bei der Verleihung die große Solidarität für die Ukraine und die Arbeit der unabhängigen Journalist:innen dort. Die Journalistinnen Nataliia Lazarovych und Anastasiia Borema nehmen den Preis für das ukrainische Nachrichtenkollektiv Bihus.Info entgegen. Sie verdeutlichen, dass die Situation und die Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen müssten, sie nicht definieren würden. Bihus.Info werde weiter Korruption aufdecken und gegen Desinformation aus Russland kämpfen. Für Abzas Media nimmt die Interims-Chefredakteurin Leyla Mustafayeva den Free Media Award entgegen. Mustafayeva versucht aus dem Exil, das Medium weiterzubetreiben. Fast die gesamte Redaktion wurde 2023 verhaftet. Bei der Preisverleihung findet sie klare Worte für die Situation in Aserbeidschan: „Für die aserbeidschanische Regierung sind Journalist:innen gleichgesetzt mit Kriminellen. Aktuell sind 21 Journalist:innen inhaftiert und es gibt mehr als 300 politische Gefangene.“

Bewegende Worte und Appelle in Oslo

Vor der Preisverleihung durch die Jurymitglieder Silvia Stöber, Martin Paulsen, Attila Mong und Inna Sangadzhiyeva hielt die Regisseurin Tonje Hessen Schei eine kurze Keynote. Schei macht politische Dokumentationen und setzt sich auch in ihrer Arbeit mit der Verfolgung von Journalist:innen auseinander. In Oslo wendet sie sich mit bestärkenden Worten an die Preisträger:innen: „Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Geschichten die Welt verändern: Indem Sie die Wahrheit an die Macht bringen, informieren Sie nicht nur die Weltöffentlichkeit, sondern ermöglichen es der ganzen Welt, Zeug:in der entsetzlichen Gräueltaten, Verbrechen und Korruption zu werden, die Sie aufdecken. (…) Selbst wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Arbeit nicht die unmittelbare Wirkung hat, die Sie sich wünschen, kann sie eine historische Aufzeichnung hinterlassen, die zukünftige Generationen beeinflussen kann – und das ist vielleicht das wichtigste und hoffnungsvollste Vermächtnis von allen.“

Georgische Preisträgerin spricht bei „Hamburger Woche der Pressefreiheit“

Die frisch ausgezeichnete georgische Preisträgerin Nastasia Arabuli wird bereits in vier Wochen auch zu Gast bei der „Hamburger Woche der Pressefreiheit“ in Hamburg sein. Dort spricht sie bei der „Free Media Lecture – Journalism is not a Crime“ am 15. Oktober in der Bucerius Law School. Gemeinsam mit der in Italien lebenden Investigativ-Journalistin Petra Reski diskutiert Arabuli über die zunehmende Gefahr für Pressefreiheit weltweit und in Europa.

Mehr Informationen zu den Preisträger:innen der Free Media Awards 2024 finden Sie hier. Weitere Informationen zur Hamburger Woche der Pressefreiheit erhalten Sie hier.

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